JOANNEUM RESEARCH

Testregion ALP.Lab: Zwei erfolgreiche Jahre für Automatisiertes Fahren

ALP.Lab hat sich zu einem wichtigen europäischen Zentrum für die Mobilitätsindustrie entwickelt. Gegründet wurde es u.a. von der JOANNEUM RESEARCH. Im Rahmen einer Pressekonferenz bei JOANNEUM RESEARCH wurde auf zwei erfolgreiche Jahre zurückgeblickt.

Testregion ALP.Lab: Zwei erfolgreiche Jahre für Automatisiertes Fahren
Foto: JOANNEUM RESEARCH/ Schwarzl

 

Seit der Gründung von ALP.Lab im September 2017 hat sich die Testregion für automatisiertes Fahren zu einem international gefragten Partner für die Auto- und Mobilitätsindustrie entwickelt. Jüngst wurde ALP.Lab für das Projekt „Autobahn als Sensor“ sogar mit dem österreichischen „Staatspreis Mobilität 2019“ ausgezeichnet. Aktuell steht die gesamte 400 km lange Teststrecke auch als Digitaler Zwilling für virtuelle Tests auf Simulations- und Prüfständen zur Verfügung. Neben technischen Fragen gibt es für die Zukunft des autonomen Fahrens auch noch Rechtliches zu klären.


Für ALP.Lab (Austrian Light Vehicle Proving Region for Automated Driving), Österreichs erste Testregion für automatisierte Fahrzeuge mit einer derzeit bereits beeindruckenden, 400 km langen Teststrecke, war die Verleihung des Staatspreis Mobilität am 25. November 2019 nach zwei Jahren intensiver Aufbauarbeit eine besondere Anerkennung. Diese höchste Auszeichnung der Republik Österreich, die ALP.Lab gemeinsam mit dem Partner ASFINAG für das Projekt „Autobahn als Sensor“ verliehen wurde, zeigt, was das junge Innovationslabor in kurzer Zeit schon erreicht hat. Nämlich eine international gefragte, umfassende Testumgebung für das Testen und die Entwicklung von selbstfahrenden Fahrzeugen aufzubauen. Mittlerweile kümmern sich sieben Mitarbeiter um die Betreuung zahlreicher nationaler und internationaler Projekte und die involvierten Kunden.


„Damit die Vision autonomen Fahrens Realität werden kann, ist vor allem eines wichtig: Testen, testen und testen - in allen Dimensionen“, so Dr. Jost Bernasch, Geschäftsführer des ALP.Lab. Denn das wichtigste bei automatisierten Fahrzeugen ist, dass alle Systeme robust und zuverlässig funktionieren und sie untereinander und mit der Infrastruktur perfekt kommunizieren. Von ALP.Lab werden Funktionen und Services für eine durchgehende digitale Testkette angeboten, bei der zunächst Fahrmanöver und Szenarien virtuell auf Prüfständen und Simulationen auf Herz und Nieren geprüft werden, um anschließend mit den Fahrzeugen auf Testgelände und öffentlichen Straßen zu gehen. Die Ergebnisse dieser Realtests gelangen dann gleich wieder über die ALP.Lab Data Cloud zu den virtuellen Testsystemen am Simulator, um die autonomen Fahrfunktionen weiter zu optimieren.
„Bei den Tests geht es nicht darum, 200 Millionen Kilometer mit automatisierten Fahrzeugen zurückzulegen“, so Bernasch, „besser ist, wichtige Schlüsselszenarien von wirklich relevanten und kritischen Ereignissen beispielsweise auf 10.000 Kilometern durchzuspielen.“

Genau hier zeigen sich die Stärken der Testumgebung von ALP.Lab. In nur zwei Jahren wurde für die Automobilindustrie, OEMs, Sensor- und Systemherstellern ein einzigartiges Testlabor auf öffentlichen Straßen, gewidmeten Teststrecken, Prüfständen, Technik zur Datenaufzeichnung sowie einer attraktiven und umfassenden Simulationsumgebung geschaffen.


Gegründet am 21. September 2017 von AVL List, Magna Steyr, dem Kompetenzzentrum VIRTUAL VEHICLE, JOANNEUM RESEARCH und der TU Graz sowie unterstützt durch das BMVIT und dem FFG, hat sich ALP.Lab zu einem wichtigen europäischen Zentrum für die Mobilitätsindustrie entwickelt. Zu den Netzwerkpartnern zählen beispielsweise die ASFINAG, der ÖAMTC, das Land Kärnten und Bosch. Weitere Partner sind u.a. das AIT Austrian Institute of Technology, NVIDIA, TTTECH, Telemotive AG, DigiTrans, TÜV Austria, A1, AC Styria oder das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Foto: JOANNEUM RESEARCH/ Schwarzl

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Zukunft des autonomen Fahrens

Damit die Zukunft eines weitgehend automatisierten oder gar autonomen Verkehrssystems Realität werden kann, sind jedenfalls noch intensive Forschungs- und Testaufgaben erforderlich. Sensoren und Detektoren fungieren dabei auch als wichtige Bestandteile der Straßeninfrastruktur, um als zusätzlicher „Sensor“ das sichere Testen von automatisierten Fahrfunktionen und Sicherheitssystemen innerhalb der Testregion ALP.Lab zu unterstützen.
Für den Aufbau dieser Testregion, die alle Aspekte an Testmöglichkeiten – real, virtuell und kombiniert - zur Entwicklung automatisierter Fahrzeuge abdeckt, wurden Straßenabschnitte auf der A2, A9, Schnellstraße Graz-Bruck und Bruck-St. Michael mit modernsten Mess- und Kommunikationssystemen ausgestattet sowie eine hochgenaue Karte erstellt. Diese HD-Karte enthält alle Straßenobjekte wie Bodenmarkierung, Fahrspuren, Verkehrszeichen, Streckenbegrenzungen oder Kanaldeckel auf zwei Zentimeter genau.


Um den ganzen Entwicklungsprozess für automatisierte Fahrzeuge samt der erforderlichen Infrastruktur deutlich zu beschleunigen, werden die riesigen Mengen an Daten aus den Tests laufend in der ALP.Lab Cloud erfasst und für Simulationswerkzeuge wie etwa IPG Carmaker oder OPENDrive bereitgestellt. Zur intelligenten Analyse dieser Datenflut dient die eigene ALP.Lab Analytic Cloud, damit können auch riesige Datenmengen nahezu in Echtzeit analysiert werden.
„Bei der Entwicklung selbstfahrender Fahrzeuge liegt das Hauptaugenmerk in erster Linie auf fehlerfreier und redundanter Sensorik von Fahrzeugen. Für den sicheren und flüssigen Verkehr können aber externe Informationen von Infrastruktur und ‚car-to-x‘ erhebliche Vorteile bringen“, so Gerhard Greiner, Director Business Development.
Sehr wichtig für die autonome Mobilitätszukunft ist hochgenaues und aktuelles Kartenmaterial, das auf den ALP.Lab Teststrecken bei Fahrten mittels präzisen GPS-Systemen sowie dem hochgenauen Pegasus Kamerasystem von Joanneum Research erfasst wird. Dazu wurde ein einzigartiger automatisierter „MOBILE MAPPING PROZESS“ entwickelt, der jede Veränderung auf der Straße sofort digital nachvollzieht. Die ganze Teststrecke wird damit zugleich zu einem Digitalen Zwilling, der laufend aktualisiert wird.

Mit dem Digitalen Zwilling können anhand real aufgezeichneter Fahrten zahlreiche virtuelle Simulationen in verschiedensten Situationen sehr schnell und kostensparend durchlaufen werden. Die Ergebnisse werden dann wiederum bei realen Testfahrten validiert. Dadurch wird das ganze Testsystem laufend optimiert und es ermöglicht, den ganzen Testablauf extrem zu beschleunigen.


Autobahn als Sensor

Eine in Europa bislang einzigartige Teststrecke ist im Staatspreis-Projekt „Autobahn als Sensor“ entstanden. Dazu wurden 23 Kilometer Fahrbahn der Südautobahn zwischen Graz-West und Laßnitzhöhe besonders dicht mit Sensorik von der ASFINAG ausgestattet. Zwölf sogenannte Road Side Units (RSU) sorgen für die Kommunikation in „Echtzeit“ zwischen Fahrzeug und Infrastruktur, wozu aktuell der neue C-ITS G5 Standard (Cooperative Intelligent Transport Systems) zum Einsatz kommt, der durch die Vernetzung aller Verkehrsteilnehmer und der Infrastruktur den Verkehr sicherer machen will. Dieses Kommunikationssystem hat etwa der neue Golf 8 von VW bereits als erstes Auto der Welt serienmäßig eingebaut. Künftig wird das System mit 5G Mobilfunk zusätzlich erweitert werden.
Eine Besonderheit dieser Teststrecke sind die drei „360° Radarsensoren“, die auf einer Länge von 1,4 km zwischen Graz-West und Abfahrt Flughafen das anonymisierte Verfolgen von Fahrzeugen als Radarobjekte ermöglichen. Damit kann beispielsweise die Spurtreue von Fahrzeugen genau validiert werden. Durch die genaue Erfassung von Fahrmanövern im täglichen Verkehr lassen sich charakteristische Verkehrsmuster und Kennzahlen wie beispielsweise der typische Abstand zwischen Fahrzeugen oder die üblichen Geschwindigkeiten im Alltagsverkehr gewinnen, die schließlich in die ALP.Lab Cloud fließen, um sie mit analytischen Systemen für Simulationen aufzubereiten.
All dies dient dazu, dass sich autonome Fahrzeuge künftig im realen Verkehr, in dem automatisierte, selbst gesteuerte Fahrzeuge und weitere Verkehrsteilnehmer unterwegs sind, noch sicherer bewegen können. Zur Übertragung all dieser Daten der Fahrzeuge und der Infrastruktur wird künftig freilich auch die neue Mobilfunkgeneration 5G eine wichtige Rolle spielen.


Viele rechtliche Fragen

Neben all den technischen Angelegenheiten sind im Bereich automatisiertes Fahren auch einige rechtliche Aspekte zu beachten. In der „Vienna Convention on road traffic 1968“ und der „UN/ECE Regulation Amendment 2016” steht klar, dass ein menschlicher Fahrer verpflichtend ist. In Europa hat noch dazu jedes Land eigene Regelungen für Testfahrten auf öffentlichen Straßen. In Österreich gilt die AutomatFahrVO 2019 (novellierte Verordnung über Rahmenbedingungen für automatisiertes Fahren vom 11.3.2019), die vorerst drei Testszenarien vorsieht: Neben Testfahrten des Bundesheeres mit LKW und Zugmaschinen und Kleinbustestfahrten im urbanen Raum (Stadt Salzburg, Pörtschach) eben auch spurwechselfähige Autopiloten auf Autobahnen, die für die Testregionen ALP.Lab in der Steiermark, Upper Austria in Oberösterreich und der Testregion Lungau relevant sind.

Erlaubt ist auch schon das fahrerlose Einparken für jedermann sowie ein Autobahn-Assistent mit automatischer Spurhaltung. Der Einsatz von „Fahrassistenz-Anlagen“ muss aber in Österreich jederzeit durch den Fahrer übersteuerbar sein und ist nur ist nur bis zu einer Geschwindigkeit von 12 km/h vorgesehen!
„Hier ist eine Überarbeitung dringend erforderlich, damit automatisierte Lenkanlagen bis zu 130 km/h zulässig sind“, betont Rechtsanwalt Andreas Eustacchio.
Reine Autopiloten sind in Europa gar nicht zulässig! Der Fahrer muss also immer die Kontrolle über das Fahrzeug haben und nach einer gewissen Zeit (nach 10 Sekunden bis maximal 30 Sekunden) wieder die Hände auf das Lenkrad geben.
Ein weiteres Problem sind in Europa die vielen unterschiedlichen Regelungen.
„Dass es keine grenzüberschreitenden Testregelungen und auch keine harmonisierten Regelungen in der EU gibt, ist ein großer Nachteil, weil für jedes Land eigene Voraussetzungen zum Testen erfüllt werden müssen“, so Rechtsanwalt Andreas Eustacchio.


Was kommt noch?

Ab Mai 2022 werden in der EU in Fahrzeugen intelligente Assistenten zum Spurhalten, Notbremsen oder für eine an die Situation angepasste Geschwindigkeit Pflicht. Vorgeschrieben werden zudem Warnsysteme bei Anzeichen von Fahrermüdigkeit oder Ablenkungen sowie "crashtesterprobte Sicherheitsgurte" für Pkw, leichte Nutzfahrzeuge, Lkw und Busse.
Nicht unproblematisch sieht der Rechtsexperte Eustacchio die anonymisierten Unfalldatenspeicher, die bei Analyse von Unfällen helfen sollen. Die datenschutzrechtliche Problematik dabei ist, dass trotz Anonymisierung Rückschlüsse auf die Person des Fahrers auf andere Weise getroffen werden können. Unklar ist auch noch, wem die auf dem Unfalldatenspeicher aufgezeichneten Daten gehören. Eines ist derzeit jedenfalls klar: es lässt sich nicht verhindern, dass diese Daten in die Hände der Behörden, der (gegnerischen) Versicherungen und Strafgerichte kommen. Noch dazu gelten solche Daten in Österreich selbst dann als Beweis, wenn sie widerrechtlich erlangt wurden.
Ganz anders sieht es wiederum bei Daten für Tests für automatisierte Systeme aus. Konkret etwa beim Datenaustausch zwischen dem Straßenbetreiber ASFINAG und ALP.Lab, der sehr restriktiv behandelt wird.
„Um künftig noch mehr automatisierte Systeme in Fahrzeuge integrieren zu können, bedarf es mehr Testmöglichkeiten und hierzu vor allem Möglichkeiten zum Datenaustausch zwischen Straßenbetreibern und Testregionen“, erklärt Rechtsanwalt Andreas Eustacchio.
Auf rechtlicher Ebene müssen jedenfalls noch einige Hausaufgaben erledigt werden, um künftig wirklich autonomes Fahren zu ermöglichen.


Die nächsten Schritte bei ALP.Lab

In den ersten zwei Jahren konnte schon eine erstaunlich umfassten Testumgebung aufgebaut werden. Diese ist auch für die Steiermark und Österreich sehr wichtig. Denn die Test- und Entwicklungsmöglichkeiten ziehen weitere Kunden und Partner an. Das bedeutet wiederum weitere technologische und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten in der Automobilindustrie. Nach dem Aufbau von ALP.Lab geht es darum, die Testumgebung laufend zu optimieren, weitere Elemente für neue Tests zu implementierten und all dies so miteinander zu verbinden, dass alle Bereiche für die Fahrzeug- und Infrastrukturentwicklung abdeckt werden können.


„Das Ziel ist, unsere Kunden bestens bei ihren Tests zu unterstützen. Dazu wollen wir auch alle Teilbereiche einzeln als Service anbieten können“, so ALP.Lab-Geschäftsführer Jost Bernasch. Um dies zu ermöglichen, kooperiert ALP.Lab auch mit zahlreichen weiteren Proving Grounds wie etwa Allhaming und St. Valentin, ZalaZone in Ungarn, Rijeka in Kroatien und mit zwei Zentren in Deutschland. Denn gerade die Verfügbarkeit von Teststrecken für längere Tests ist für die Autoindustrie sehr wichtig.


Für ALP.Lab stellen sich auch laufend neue Herausforderungen. Denn je stärker sich das Fahren automatisiert, umso mehr technische, rechtliche und auch gesellschaftliche Aspekte müssen beachtet werden. Die besonders gute Nachricht: Automatisiertes Fahren wird die Sicherheit im Verkehr künftig sehr stark erhöhen. Heute stirbt laut dem “WHO Global status report on road safety 2018” alle 24 Sekunden ein Mensch auf der Straße oder 1,3 Millionen Menschen im Jahr. Bis aber Autos vollautonom fahren, vergehen voraussichtlich noch einige Jahre. Dabei fahren heute schon Autos beim Einparken auf dem hohen Level 4 (Vollautomatisiertes Fahren) und auf Autobahnen teils auf Level 3 (Hochautomatisiertes Fahren). Der Schritt zum wirklich vollautonomen, fahrerlosen Fahren auf der Stufe Level 5 ist aber noch ein sehr großer.


Eines zeigt sich aber schon heute klar: Autonomes Fahren wird die Zukunft der Mobilität grundlegenden verändern. Und ALP.Lab ist ein wichtiger Partner dabei.

> Weitere Informationen: www.alp-lab.at