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Studie: Wirtschafts- und Innovationsraum Südösterreich 2030

Die Langzeitstudie, die vom Institut POLICIES, der Uni Graz und dem Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung durch­geführt wurde, brachte aktuelle Zahlen, Daten und Fakten zu einem Wirtschafts­raum zu Tage, der als solches bisher nicht auf dem wirtschaftspolitischen Radar war: der „Wirt­schaftsraum Südösterreich".

Studie: Wirtschafts- und Innovationsraum Südösterreich 2030
Standortstudie zum Wirtschafts- und Innovationsraum Südösterreich: v.li.: WK-Vizepräsidentin KommR Astrid Legner, MMag. Eric Kirschner vom JOANNEUM RESEARCH und Landeshauptmannstellvertreterin Dr.in Gaby Schaunig, Foto: WKK/STUDIOHORST

 

Die vorliegende Standortstudie rückt „Südösterreich“ nunmehr dezidiert in den Mittelpunkt des Geschehens und betrachtet erstmals den Süden Österreichs über die Sphäre eines Wirtschaftsstandorts hinaus. Ausgangspunkt und Hauptmotivation für diese Studie war nicht nur die bevorstehende Fertigstellung des Jahrhundertprojektes Koralmtunnel und die sich daraus ergebende Entwicklungsdimensionen, sondern auch die seit Jahren zunehmende Kooperationskultur zwischen den beiden Bundesländern Steiermark und Kärnten. Die Studie zeigt zum einen die Entwicklung des Wirtschaftsraumes, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Chancen und Herausforderungen, vor allem aber gemeinsame Entwicklungspotenziale auf und bietet eine profunde Basis für gemeinsame Aktivitäten. 

 

Die gemeinsame Herausforderung: Demographischer Wandel 

Südösterreich sieht sich außerhalb der erweiterten Zentralräume seit Jahren mit einem „Brain-Drain" junger, gut ausgebildeter Menschen konfrontiert. Viele Akademiker kehren nach Abschluss ihres Studiums nicht mehr in ihre Heimatregionen zurück. Dieses Humanka­pital fehlt und wird für diese zunehmend zur Bewährungsprobe. Generell sind die demogra­fischen Prognosen für Südösterreich die schlechtesten innerhalb Österreichs: In den nächsten 20 Jahren dürfte die Steiermark nur noch ein geringfügiges Bevölkerungswachstum aufwei­sen, für Kärnten wird ein absoluter Bevölkerungsrückgang prognostiziert.

Das Arbeitskräfte­potenzial wird sich in den kommenden Jahrzehnten verringern. So sinkt beispielsweise die Anzahl der 20- bis 64-Jährigen in Kärnten bis 2040 um 10,1 Prozent und in der Steiermark um 9,5 Prozent. Für den Wirtschaftsstandort Südösterreich ist es daher notwendig, Maßnah­men zu ergreifen, um der Abwanderung entgegenzusteuern und (hoch-) qualifizierte Arbeits­kräfte aus den umliegenden Regionen bzw. aus dem benachbarten Ausland nach Südöster­reich zu holen.

Heute wird die Wachstumsdynamik klar vom Technologiebereich, der Sach­gütererzeugung und den wissensintensiven Dienstleistern getrie­ben. Diese haben in der Corona-Krise kaum Beschäftigung abgebaut, bei den wissensintensi­ven Dienstleistern war sogar ein Wachstum zu beobachten. Der strukturelle Wandel geht in die richtige Richtung, wobei sich der Mangel an Arbeitskräften weiter verschärfen wird.

 

Die gemeinsame Chance: Forschung & Entwicklung, Innovation 

Am Beispiel Südösterreich lässt sich belegen, dass eigenständige oder zumindest komple­mentäre regionalpolitische Impulse nach wie vor möglich und erfolgversprechend sind, und dass die Implementierung einer entsprechenden Innovationsinfrastruktur Zeit und Begleit­maßnahmen erfordert. Mit 5,2 Prozent sind in der Steiermark die Ausgaben für Forschung und Entwicklung gemessen am Bruttoregionalprodukt deutlich höher als in Wien (3,6 %) und Oberösterreich (3,5 %). Kärnten, das auch aufgrund seiner Größe über deutlich weniger Hochschulen, Forschungseinrichtungen sowie Wirtschaftsinkubatoren verfügt, hat sich im Laufe des letzten Jahrzehnts in Richtung einer F&E-affinen Region entwickelt.

So konnte das südlichste Bundesland in den Jahren 2002 bis 2019 seine Ausgaben im F&E-Bereich deutlich steigern. Im Jahr 2002 wurden 226, 7 Mio. Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben, 2019 bereits mehr als dreimal so viel (691,3 Mio. Euro). 


Der Wirtschaftsstandort „Südösterreich" profitiert damit auch als Nicht-Metropolregion vom eingeschlagenen Weg der Technologie- und Innovationsorientierung, getragen in erster Linie vom industriell-gewerblichen Sektor der Region, der allerdings einer laufenden Evaluierung und Adaptierung unterzogen werden muss. Um in diesem Bereich noch stärker zu werden, gilt es nunmehr die ersten bereits bestehenden Kooperationsansätze zu nutzen und zu in­tensivieren sowie die vorherrschende lnstitutionenlandschaft im F&.E-Sektor (Universitäten, FHs, Kompetenzzentren, Schulen etc.) noch enger strategisch abgestimmt zu vernetzen.

Die Ausgangsbasis für Kooperationen ist denkbar günstig, da unabhängig von der unmittelbaren geografischen Nähe, die durch die Koralmbahn enorm befeuert wird, auch thematisch aus­reichend Anknüpfungspunkte vorhanden sind. 

 

LR MMag. Barbara Eibinger-Miedl, Land Steiermark:

,,Unsere enge Zusammenarbeit im Bereich der Forschung und Innovation hat sich in den letzten Jahren zu einem echten Erfolgsmodell ent­wickelt. Gemeinsam haben wir es geschafft, Schlüsselprojekte wie Silicon Austria Labs oder den Digital Innovation Hub Süd in den Süden Österreichs zu holen. Beide Länder sind sich einig, dass diesen Initiativen noch zahlreiche weitere folgen sollen, um den Süden Öster­reichs in Sachen Forschung und Entwicklung weiter zu stärken. Dazu soll die gemeinsame F&E-Quote der Region (NUTS 1) bis zum Jahr 2030 von derzeit 4,57 auf mehr als 5 Prozent steigen." 

 

MMag. Eric Kirschner, Forschungsgruppenleiter Regionalökonomie und Strukturpolitik, Institut POLICIES:

,,Die Herausforderung wird darin liegen, KMU verstärkt an Innovation heranzuführen und hier die Kooperation mit Wis­senschafts- und Forschungseinrichtungen zu intensivieren sowie unternehmerisches Denken verstärkt in der Wissenschaft zu positionieren. Bereits bestehende Netzwerke und Initiativen könnten als „Enabler" für eine tief ergehende Kooperationsbereitschaft zwischen den beiden Bundesländern dienen, an deren Ende eine „echte" Wirtschaftsregion Südösterreich steht, die auch als eine solche wahrgenommen wird. Hier kann eine Kooperation im Südraum mehr­fache Vorteile bieten: höhere wirtschaftliche Dynamik, höhere Attraktivität, stärkere Bil­dungsinstitutionen, hohe Lebensqualität des Gebiets als Anziehungspunkt für internationale Spezialisten und Studierende."