JOANNEUM RESEARCH

Interview: Mehr Nachhaltigkeit durch digitale Transformation?

Endlich kommt Bewegung und Entschlossenheit in den Prozess, dem Klimawandel und seinen Folgen entgegenzutreten. Vor diesem Hintergrund sprachen wir mit dem Geschäftsführer der JOANNEUM RESEARCH Heinz Mayer über das Potenzial der digitalen Transformation, Nachhaltigkeit zu ermöglichen und zu unterstützen.

Heinz Mayer, Geschäftsführer JOANNEUM RESEARCH
Geschäftsführer Heinz Mayer spricht über den Beitrag der JOANNEUM RESEARCH zur grünen und digitalen Transformation. Foto: JOANNEUM RESEARCH, Bergmann

Was sind die großen Technologietrends, die Transformation antreiben?

Mayer: Künstliche Intelligenz ist sicher der größte Trend. Die Methodik gibt es ja schon länger, aber aufgrund der Leistungssteigerung der Recheneinheiten und der Verfügbarkeit von Daten hat KI an Dynamik enorm zugelegt. In der Sensorik liegt auch noch großes Potenzial und auch der Bereich Mobilität ist unglaublich dynamisch: Im öffentlichen Bereich wird stark investiert, modernisiert und ausgebaut. Im Individualverkehr gibt es enorme Anstrengungen, neue Technologien zur Ressourcenoptimierung und Effizienzsteigerung in das Fahrzeug zu bringen. Das ist Transformation! Vor 15 Jahren war Elektromobilität ein Nischenthema. Jetzt haben wir eine steigende Marktdurchdringung. Auch Kommunikationstechnologien sind Transformationstreiber. Eine verbesserte Kommunikation in jenen Teilen der Erde, die kaum erschlossen sind, hat positive Auswirkungen auf den Ressourcenverbrauch – etwa durch das Einsparen von Distanzen. Megakonstellationen von Satelliten bieten dafür nachhaltige Vorteile. Diese bestehen aus einer großen Anzahl von Satelliten, die im Weltraum in einem Netzwerk angeordnet sind und verschiedene Dienste wie Kommunikation, Internetzugang, Erdbeobachtung und mehr ermöglichen. Wichtig ist das für eine reibungslose und kostenschonende Kommunikation in entlegene Orte oder dünn besiedelte Gegenden, denn dort könnte man keine Glasfaserkabel verlegen – das wäre viel zu kostenintensiv.

Welche Rolle spielt Digitalisierung in dem Prozess die Welt grüner zu machen?

Mayer: Es ist klar, dass es die grüne Transformation nur mit Unterstützung von Technologien geben kann. Innovation und Technologie müssen sich noch stärker in Richtung Nachhaltigkeit bewegen. Es tut sich schon einiges, aber es gibt noch Luft nach oben, was Ressourcenoptimierung und Effizienz betrifft. Eine große Herausforderung liegt in der Lösung der Frage, wie man Energie noch ressourcenschonender zur Verfügung stellen und steuern kann – sogenannte Power Electronics sind gefragt. Eine zweite liegt in der Überwachung unserer Ressourcen und deren Resilienz, wie zum Beispiel die Überwachung unserer Wälder als Forschungsfeld unserer Forschungsgruppe Fernerkundung und Geoinformation. Hier verfügen wir über eine jahrzehntelange Expertise im Bereich des Umweltmonitorings und bauen diese kontinuierlich aus. Eine dritte Herausforderung sehe ich darin, eine möglichst effiziente Rückführung von Ressourcen im Sinne einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft zu schaffen, also zum Beispiel smartes Recycling oder automatisierte Wertstofferkennung. Wir sind vorne dabei in der Charakterisierung von Stoffströmen mit Multispektral-Sensorik, in der Erforschung und Umsetzung neuer biobasierter, recycelbarer oder kompostierbarer Materialien oder in der lebenszyklusbasierten Nachhaltigkeitsbewertung (LCA).

Welche Hürden gilt es auf diesem Weg noch zu nehmen?

Mayer: Der Faktor Zeit ist dabei sicher eine Hürde. Technologieentwicklung ist zeitintensiv und es braucht einen langen Atem, von der Idee bis zur Umsetzung und der Produktentwicklung. Oft gehen große Entwicklungen aufgrund der Kleinstrukturiertheit von Programmen in Österreich und Europa nicht so schnell voran, wie es notwendig wäre. Was ein Vorteil im Respektieren individueller Zugänge ist, ist zugleich ein Hemmschuh, wenn man große Aufgaben lösen will. Zahlreiche Lösungsansätze für Effizienz und Ressourcenschonung basieren auf den digitalen Abbildern der Realität – den digitalen Zwillingen.

Welche Vorteile bringen diese hinsichtlich Nachhaltigkeit?

Mayer: Digitale Zwillinge erhöhen die Transparenz. Es gibt sie beispielsweise in den Bereichen Mobilität, z. B. bei Fahrzeugen, im Bereich der Produktion, der Medizin und der Umwelt. Letztere werden etwa mit Fernerkundungstechnologie geometrisch und radiometrisch generiert. Das sind Geländemodelle, die man in Zeitreihen setzen kann, um Veränderungen in der Umwelt zu analysieren. Über einen bestimmten Zeitraum können damit Wälder oder die Temperaturentwicklung in Städten beobachtet und darüber Aussagen getroffen werden. Wichtig sind digitale Zwillinge auch für den Carbon-Capture-Prozess, also den Vorgang, bei dem man versucht, CO2 abzutrennen und sinnvoll zu verwerten, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Daraus leiten sich am Beispiel Wald zumindest zwei Forschungsfragen ab: Welche Auswirkungen habengroßflächige Rodungen auf das Klima und wie wirkt sich wiederum das veränderte Klima auf das System Wald aus? Was kann künstliche Intelligenz zur Nachhaltigkeit beitragen? Wir forschen zum Beispiel an der Ermittlung von Mobilitätsverhalten, automatisierter Wertstofferkennung und Recycling sowie an Analysen der Erdoberfläche durch Fernerkundung. Die entsprechenden Analysen basieren zum Großteil auf KI oder besser gesagt auf maschinellem Lernen. Allgemein betrachtet ist künstliche Intelligenz überall dort ein Lösungsansatz, wo man komplexe Prozesse bewerten will. Mit der Digitalisierung und mit dem Umstieg auf neue Technologien wie beispielsweise E-Mobility steigt der Energiebedarf.

Wo wird denn die Energie dafür herkommen?

Mayer: Das ist eine zentrale Frage, über die sich viele die Köpfe zerbrechen. Das ist noch nicht gelöst. Mit konventioneller Energiegewinnung ist das vielleicht machbar, aber aus Sicht der Umwelt kontraproduktiv. Mit erneuerbaren Energien ist es derzeit nicht möglich, den notwendigen Energiebedarf zu decken. Also müssen wir entweder im großen Stil Energie einsparen, oder neue Wege finden, Energie zu erzeugen. Aber das bedarf wieder eines entsprechenden Vorlaufs, von der Idee, über Genehmigungen, Bauverfahren bis hin zur Durchführung – das kann Jahrzehnte dauern.

Was ist Ihrer Meinung nach notwendig, um die Klimaziele zu erreichen?

Mayer: Technologieoffenheit und natürlich Konsequenz. Wir sind als Gesellschaft noch oft zu inkonsequent. Deswegen gerät die Politik unter Druck, will schnell agieren und gibt aufgrund der Dringlichkeit des Themas Technologien vor. Das ist aus meiner Sicht nicht optimal, nicht alle Technologien und ihre Auswirkungen auf die Ökobilanz sind zu Ende gedacht – zum Beispiel was den Energiebedarf betrifft.

Wo steht aktuell die JOANNEUM RESEARCH in Bezug auf die grüne und digitale Transformation?

Mayer: Wir forschen anwendungsorientiert und richten uns stark nach den europäischen Missionen sowie den daraus abgeleiteten Leitthemen, um damit unseren Beitrag zur Bewältigung der großen Herausforderungen in den Bereichen Umwelt, Klima, Gesundheit, Gesellschaft, Produktion und Digitalisierung zu leisten. Im Rahmen unseres Strategieprozesses wurden unsere Kompetenzen weiter gebündelt und transformationsfit gemacht. Die dabei definierten Geschäftsfelder Gesundheit und Pflege, Mobilität, Politik und Gesellschaft, Produktion und Fertigung, Sicherheit und Verteidigung, Umwelt und Nachhaltigkeit sowie Weltraum spiegeln die Wirksamkeit unserer Kompetenzen in den spezifischen Branchen wider. In unseren Geschäftsfeldern spielt Digitalisierung eine wesentliche Rolle und sie forcieren in vielen Bereichen nachhaltige ökologische Effekte. Was die grüne Transformation betrifft, haben wir langjährige Erfahrung und Kompetenz in Themen der Fernerkundung, Umweltdatenerfassung, Materialwissenschaften, Green Photonics, Kreislaufwirtschaft sowie Lebenszyklusanalysen.

Auf einer Skala von 1 bis 10 – was ist ihr persönlicher grüner Transformationsgrad?

Mayer: Ich sehe mich bei 5. Mein Ziel ist es, mehr Energie einzusparen und weniger Ressourcen zu verbrauchen.